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Dreigliederung des sozialen Organismus

Als im Europa der Neuzeit der staatliche Absolutismus überwunden wurde, bedeutete dies erstens eine Zurückdrängung und Bändigung der Allmacht des Staates, eine Entwicklung hin zum Rechtsstaat. Zweitens entstand durch diese Zurückdrängung des Staates Raum für die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, in der der Einzelne nicht mehr Untertan war, sondern freies und gleichberechtigtes Mitglied wurde. Damit hatte die neuzeitliche Entwicklung eine Gliederung des sozialen Ganzen in Staat und Gesellschaft hervorgebracht. Während die Wirtschaft seit der Überwindung des Merkantilismus im Prinzip der Gesellschaft zugeordnet wurde, blieb die Stellung des Kulturlebens zwiespältig: es wurde teils als Sache der Individuen und damit als Bestandteil der Gesellschaft angesehen (Meinungsfreiheit, Freiheit von Religion, Kunst und Wissenschaft usw.) in anderen Teilen – insbesondere im Bildungswesen – dagegen als Angelegenheit des Staates.

Während des Ringens um eine Neuordnung Europas nach dem ersten Weltkrieg trat Rudolf Steiner 1917 mit der Idee der Dreigliederung des Sozialen Organismus an die Öffentlichkeit und forderte eine Trennung von Kultur, Staat und Wirtschaft, um deren ungestörte Entwicklung nach ihrer Eigengesetzlichkeit – den Leitideen der Freiheit der Gleichheit und der Brüderlichkeit – zu ermöglichen. Er verband damit die Erwartung, dass die drei Glieder des sozialen Organismus einander gerade durch diese getrennte, eigengesetzliche Entwicklung am besten fördern werden.

Die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus wird den sozialen Verhältnissen also nicht einfach übergestülpt, sondern greift eine Entwicklungstendenz auf, die in den Verhältnissen veranlagt, historisch aber nur unvollkommen verwirklicht ist und die durch bewusste Gestaltung zur Vollendung zu bringen sein wird. Die Idee einer Gliederung des Gemeinwesens und eines funktionsfähigen Zusammenspiels seiner Glieder wurde später auch im Ordoliberalismus vertreten. Dessen Gründungsväter sprachen von der lnterdependenz der Ordnungen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde mit dem Grundgesetz und der Sozialen Marktwirtschaft manches davon verwirklicht.

Das Seminar für freiheitliche Ordnung möchte diese Grundlagen einer menschengerechten Gesellschaftsordnung in die Öffentlichkeit tragen und einen Ausblick in die Zukunft eines dreigliedrigen Sozialen Organismus wagen.